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wussten sie schon...

… dass vier junge Burschen aus Alzingen während des 2. Weltkriegs die deutschen Besatzer düpierten?

Die NSDAP-feierte wie jedes Jahr auch am 9. November 1941, einem Sonntag, den Heldengedenktag. Durch jährlich wiederkehrende Totenfeiern für die Erschossenen und Aufmärsche für die am Hitler-Putsch (09.11.1923) beteiligten Blutordensträger gedachten die Nationalsozialisten nach ihrer Machtübernahme 1933 der blutigen Unterdrückung des Putsches an der Feldherrnhalle in München. Während der Kreisleiter Dr. Schreder im Cerclesaal in der Hauptstadt Luxemburg eine flammende Rede hielt, gab es in der von den Besatzern übernommenen Tagespresse Berichte, dass Luxemburg sich seit dem 10.05.1940 endlich auch bewusst wäre, dass die deutschen Soldatenhelden nicht nur für Deutschland, sondern auch für Luxemburg und den ganzen europäischen Kontinent gegen die „Bolschewisten-Gefahr“ kämpfen würden.

 

Dieser propagandistischen Ansichten waren sich an jenem Sonntag die vier 11- bis 13-jährigen Jungen (Victor Colling, Walter Platz, Alphonse Theis und Christophe Wester) aus Alzingen mit Sicherheit nicht bewusst, als sie wie so oft zusammen außerhalb des Dorfes spazieren gingen und dabei auf der Landstraße einen toten Raben fanden. Nach kurzer Beratschlagung, was mit dem leblosen Vogel geschehen sollte, machte der immer zu Späßen aufgelegte Walter Platz den Vorschlag, ihn nicht in den Straßengraben zu werfen, sondern als Adlerersatz unter die zum Heldengedenktag an der Alzinger Schule angebrachten Hakenkreuzfahne zu hängen.

 

Sich der Gefährlichkeit dieses Vorhabens nicht bewusst, trugen die Kinder den an einer Schnur befestigten toten Raben gemeinsam vor die Schule. Christoph Wester brachte auf Verlangen von Walter Platz eine Leiter und einen Hammer mit 2 Nägeln herbei. Platz befestigte den Raben ungefähr 3 Meter hoch gleich unter der Hakenkreuzfahne an der Mauer. Die Flügel waren weit ausgebreitet und der Kopf hing tief auf die Brust. Dabei lachten die Jungen und freuten sich riesig über diesen Spaß.

 

Am nächsten Tag war der Teufel los. Uniformierte versuchten herauszufinden, wer den toten Raben unter die Fahne gehängt hatte. Stimmen wurden laut: „Wenn wir nicht binnen 24 Stunden wissen, wer das gemacht hat, werden sämtliche jungen Männer verhaftet“. Das konnte die Buben aber nicht zulassen. So ging Walter Platz zu einem Uniformierten hin und sagte ihm, er sei es gewesen. Daraufhin wurden die vier einzeln von zwei Männern im Vorbau der Schule während der Unterrichtsstunden verhört. Drei ältere Jungen gerieten in den Verdacht, sie angestiftet zu haben. Es waren dies Dominique Colling, Pierre Stein und Léon Thull. Die Uniformierten befragten die Kinder: „Waren es nicht alle drei, die euch geraten haben, den Raben dort aufzuhängen?“ Platz entgegnete ihnen, er sei es allein gewesen und keine anderen Personen hätten sie dazu angestiftet. Es habe ja der Adler auf der Flagge gefehlt und weil der Rabe ja auch ein schöner Vogel sei und sie keinen Adler gehabt hätten, wäre der Rabe der richtige Ersatz gewesen.

 

Scheinbar hatten die Jungen eine Fürsprecherin deutscher Abstammung aus Alzingen (vielleicht sogar die deutschstämmige Mutter von Walter Platz selbst?) und deshalb wurden keine Verhaftungen vorgenommen. Jedoch wurde Walter Platz mit seiner Mutter in die Villa Pauly vorgeladen, wo er alles noch einmal erzählen musste. Weil er noch zur Schule ging und erst 13 Jahre zählte, bekam er lediglich eine Tracht Prügel. Die anderen Kinder wurden zu Hause ernsthaft ermahnt, denn dieser Streich hätte viel schlimmere Konsequenzen nach sich ziehen können. Diese Geschichte basiert auf einem Bericht, den Walter Platz mir selbst seinerzeit übergegeben hatte, denn er war entsetzt über die „lügenhafte“ Darstellung in der Amiperas-Broschüre von 1996. Dessen Autor Norbert Maes (ehemaliger Bürgermeister der Gemeinde Goesdorf) konnte mir aber telefonisch und auch schriftlich versichern, er habe keinen realistischen Bericht geschrieben, sondern seine „fiktive“ Erzählung, die keinen Anspruch auf historische Wirklichkeit habe, sei nur ein Gefälligkeitsdienst für seinen einstigen Arbeitskollegen Nicolas Godart aus Alzingen gewesen.

Roland Schumacher

Geschichtsfrënn vun der Gemeng Hesper