Wussten Sie schon,... (aus: Buet 09 / 2020 / N°43)
… dass die Schwestern des Franziskanerordens seit nunmehr 155 Jahren in Itzig tätig sind?
Tatsächlich hat die ehemalige Hein(t)zen-Vogtei eine jahrhundertealte Geschichte und kam über die Familie Tesch in den Besitz von Emmanuel Servais-Boch und schließlich wurde das Anwesen an Joseph Richard verkauft. Im Jahre 1865 erwarb die Witwe Margaretha Seraphina Pescatore-Beving das Haus und stellte es den Franziskanerinnen für die Gründung eines Waisenhauses zur Verfügung (die endgültige Schenkung erfolgte im Jahr 1873). Der 1847 von Schwester Franziska (eigentlich Anna Elisabeth Dufaing d’Aigremont) in der Hauptstadt gegründete Orden bemühte sich seit 1856 (der Cholera-Einbruch über Luxemburg ab 1854 hatte viele Todesopfer gefordert) um die Pflege und Erziehung armer Waisenkinder und ab 1865 geschah dies auch in Itzig für die Mädchen (die Jungen kamen nach Grevenmacher). Bereits zwei Jahre nach dem Einzug der 8 Schwestern und 30 Kinder Ende Februar 1865 wurden erste Vergrößerungsarbeiten an dem Waisenheim durchgeführt. 1882 ließen die Schwestern im Klosterhof eine Schule errichten. Der Umbau der Scheune zu einer geräumigen Kapelle erfolgte 1888 und zwei Jahre später erhielt die Kapelle die St. Franziskus-Glocke. 1897 kam es zu einer weiteren Vergrößerung. Die Einweihung der Lourdes-Grotte, an der jedes Jahr zu Fronleichnam der Segen erteilt wird, bildete im Jahr 1958 den Abschluss der Verschönerung der Klosteranlage. Die Schülerinnen der sozialen Einrichtung wurden in den damals üblichen hausfraulichen Arbeiten wie Nähen, Kochen, Bügeln usw. unterrichtet. Ab 1900 gab es eine Nähstube (bis 1959), die auch Nicht-Heimkinder besuchen konnten und von 1900 bis 1969 existierte auch ein Kindergarten. Zeitweise war dem Waisenhaus auch ein Altenheim angegliedert. Während des Krieges mussten die Schwestern und die Kinder nach Clerf und Bettendorf ausweichen und das Gebäude wurde eher „verwahrlosten“ Mädchen aus dem Stadtgrund (dort wurden nunmehr politische Sträflinge inhaftiert) zugedacht, wie es damals hieß. In den Nachkriegsjahren ging bereits ein längerfristiger ambulanter Pflegedienst vom Schwesternhaus aus und 1963 wurden die Heimkinder nach vielen Bemühungen in die reguläre Dorfschule integriert. 1965-70 wurden Familiengruppen von 10-12 Jungen und Mädchen gebildet, die über eigene Wohnräume verfügten. 1970 befanden sich etwa 90 Jungen und Mädchen im Alter von 1 1/2 bis 18 Jahren verschiedener Nationalität und Konfession im Heim. 1981 wurde eine Konvention mit dem Staat abgeschlossen, welche auch die finanzielle Unterstützung garantierte. Das Institut St. Joseph, wie es seit den 1920er Jahren bis etwa 1970 hieß, wurde dabei permanent von der Kongregation der Franziskanerinnen getragen. Am 01.01.1991 ging die Trägerschaft auf die Katholische Männeraktion Luxemburg über, die im „Kannerheem Izeg“ das karitative Werk für Kinder aus vorwiegend sozial benachteiligten Verhältnissen unter der Leitung einer Franziskanerin (bis 2000) fortsetzte. Während die Direktion und die Verwaltung des Kinderheims, die Jugendwohngruppe und der Service de Psychologie in Itzig verblieben, wurden zwischen 1990 und 1993 verschiedene Gruppen in andere Ortschaften verlegt. Nach dieser Dezentralisierung, die eine bessere Integration der Kinder und Jugendlichen in die Dorf- und Pfarrgemeinschaft als Ziel hatte, beherbergt das Haus heute in den freigewordenen Räumlichkeiten mehrere staatliche und private Sozialeinrichtungen. 2002 errichteten die Franziskanerinnen im Schwesternhaus eine Raststätte für Menschen in Not und auch von weither angereiste Familienmitglieder von Menschen im CPL fanden daselbst Aufnahme. Zusammen mit der Caritas wurde Flüchtlingen dort eine Unterkunft geboten (bis 2020) und nach einem größeren Umbau des Schwesternhauses ab 2021 steht ein neues Projekt der Franziskanerinnen an. Roland Schumacher |
Wussten Sie schon,... (aus: Buet 06 / 2020 / N°42)
… dass das therapeutische Gehöft „Schneider Haff“ in Alzingen auf eine abwechslungsreiche Geschichte zurückblicken kann?
Die Geschichte des „Schneideschhaff“, der in der Erinnerung der älteren Alzinger Einwohner immer den Hausnamen „A Sprangs/Sprancks“ getragen hatte, ist von besonderem Interesse für die Ortschaft Alzingen selbst. Es handelt sich dabei erstens um ein Gebäude, das ein gewisses Alter hat, was umso interessanter ist, da ältere Häuser immer mehr aus dem Dorfbild verschwinden und ein Haus, das mehr als 200 Jahre alt ist, durfte hier erhalten bleiben. Dies ist zweitens umso wichtiger, da die Ausmaße des Hofes zeigen, dass es sich hierbei um ein bedeutenderes Bauwerk handelt, das aus der Masse der viel kleineren Arbeiterhäuser und Höfe der Landwirte, Ackerer und Tagelöhner dieser Zeit heraussticht. Die Benennung „Springers“ ist schon 1611 (Alzinger Feuerstättenverzeichnis) belegt und der Name „Sprang/Spranck“ taucht 1722 in dem Alzinger Pfarrarchiv auf. Tatsächlich zeigt die Ferrariskarte (1771-78) an dieser Stelle einen größeren Hof, aber das jetzige Gehöft wurde definitiv im Jahre 1819 von den Eheleuten Johannes Becker und Catharina Kleyer errichtet. Deren Tochter Margaretha Becker heiratete 1831 Michel Pettinger. Johann Pettinger, eines ihrer 14 Kinder, wurde später Bürgermeister (1873-1879). Während seiner Amtszeit haben sogar einige Gemeinderatssitzungen dort stattgefunden, denn die Gemeinde besaß zu dieser Zeit noch kein eigentliches Rathaus und die Sitzungen wurden in Wirtshäusern oder in der Privatwohnung des Bürgermeisters abgehalten. Das erste offizielle Rathaus wurde erst 1905 in einem 1888 von der Gemeinde zu Schulzwecken erworbenen Privathaus (besteht nicht mehr) gegenüber der heutigen Sparkasse an der Route de Thionville in Funktion genommen. Anna Pettinger, die Tochter des Bürgermeisters, heiratete 1899 Peter Schneider aus Alzingen. Die letzten Privatbesitzer waren dann Johann Peter Schneider und Mathilde Haag. Sie hatten den Hof 1937 als Schenkung erhalten, obwohl der Ehemann nicht der erstgeborene Sohn war, aber er hatte als erster geheiratet. 1950 war das Haus umgebaut worden. Der Garten wurde nach vorne verlegt, die Tâk außen an einer neuen Mauer angebracht, die alte Haustür führte nun zur Waschküche und der Stein mit dem Datum und den Initialen der Erbauer wurde über der neuen Eingangstür angebracht. Das Paar Schneider-Haag bekam keine Nachkommen, kümmerte sich aber viel um Kinder aus anderen Familien. So kamen einige Kinder aus der ersten Ehe von Anna Clees-Haag, der Schwester der Ehefrau, bei ihnen unter. Dazu gehörte auch der bekannte Organist René Clees, der im Oktober 2015 posthum den Kulturpreis der Gemeinde Hesperingen erhielt. Dazu kamen andere Kinder der Familie wie auch um 1960 durch Vermittlung der Caritas ein junges österreichisches Mädchen, das im Lande verblieb. Das Ehepaar Schneider-Haag (er verstarb 1993, sie 1999) vermachte das Haus testamentarisch der „Fondation Lëtzebuerger Kannerduerf“, um darin ein Projekt für Kinder zu gestalten. Seine eigentliche Bedeutung erhielt das Haus in jüngerer Zeit, als die Stiftung das Bauwerk nach einer bedeutenden Renovierung jungen Mädchen ab 13 Jahren mit problematischem sozialen Hintergrund und sozio-emotionalen Störungen aufgrund schwerer Lebenskrisen zur Verfügung stellte. Ihnen bietet der therapeutische Hof den nötigen Schutz und in der Symbiose von Mensch und Tier erwächst den Jugendlichen während der auf maximal 2 Jahre ausgerichteten Aufenthaltsdauer erneut ein positives Selbstwertgefühl in einer harmonischen Umgebung, einem neuen Zuhause. Der Umbau des Hauses erfolgte ab dem Jahre 2004. Bei der feierlichen Einweihung der tiergestützten pädagogischen Einrichtung am 13.10.2008 konnte députée-maire Marie-Thérèse Gantenbein die Großherzogin Maria Teresa und die Familienministerin Marie-Josée Jacobs begrüßen. Roland Schumacher |
Wussten Sie schon,... (aus: Buet 03 / 2020 / N°41)
… dass ein Bäcker aus Hesperingen einst die Geschicke fast sämtlicher Gesangvereine der Gemeinde leitete?
Tatsächlich war der Bäcker Edouard Kayser während seiner langen aktiven Zeit sowohl Dirigent des Chores in Alzingen als auch in Fentingen und Hesperingen. Am 29.04.1872 kam Edouard Kayser in Hesperingen „in der Sangen“ als ältestes Kind von Peter Kayser (Eisenbahnarbeiter) und Maria Catharina Schneider zur Welt. Ed. Kayser war 2 Jahre vor der Hochzeit geboren worden und wurde als Edouard Schneider später von Peter Kayser adoptiert. Nach dem frühen Tod der Mutter heiratete der Vater ein zweites Mal (Maria Anna Mersch aus Hesperingen). Ab 1885 etwa wohnte Edouard Kayser (später auch die Schwestern) bei der Tante Lucie Kleyer-Schneider, der verwitweten Schwester seiner Mutter. Diese führte gegenüber der Kirche die Gastwirtschaft und Bäckerei (später Brasserie du Château, heute Pizzeria Chez Vito) ihres 1889 verstorbenen Mannes weiter und Edouard Kayser war als Bäckergeselle angestellt und lernte dort das Handwerk. Interessanterweise fanden noch im 18. Jahrhundert in diesem Haus (im oberen Stockwerk) die Gerichtsverhandlungen der Herrschaft Hesperingen statt. Edouard Kayser selbst heiratete in Hesperingen am 07.10.1896 die 6 Monate ältere Maria Anna Lauterbour aus Hesperingen. Deren Eltern waren die Ackersleute Mathias Lauterbour und Barbara Joachim aus besagtem Hesperingen. Das Ehepaar Kayser-Lauterbour bekam insgesamt 7 Kinder. Ab 1897 übernahm Edouard Kayser die Bäckerei und die Gastwirtschaft seiner Tante (sie verstarb 1929). Er buk im Gegensatz zu anderen Bäckern noch mit einem Holzofen, was seinem Brot laut Zeitzeugen eine eigene geschmackliche Note verlieh. Man sah Ed. Kayser aber wegen seiner vielen Beschäftigungen selten in der Backstube, sein Bruder Nic. war eher der Bäcker. Die Familie schien die Musik bereits in die Wiege gelegt bekommen zu haben. (Nicolas) Edouard Schneider, genannt „Colas Ed.“, war der Bruder der Mutter und Dirigent des 1865 gegründeten Männergesangvereins „Eintracht im Thale Hesperingen“ von 1865-1891. Er war der Taufpate von Ed. Kayser und leitete neben der Hesperinger Eintracht auch den Alzinger Männerchor in den Jahren 1889-1891. Edouard Kayser, der 1891 der „Eintracht im Thale“ beigetreten war, übernahm dort den Dirigentenstab ab 1895. 1893 war der erst 21 Jahre alte Ed. Kayser sogar für ein Jahr auf den Präsidentenposten der Eintracht im Thale gewählt worden. Er dirigierte die Eintracht in den Jahren 1895-1903, 1905-1924 und 1925-1942 und erhielt unter anderem eine Erinnerungstafel mit dem Bild der Burg Hesperingen, eine Ehrerbietung, die lediglich noch dem Lokalhistoriker Pierre Anen erwiesen worden war. Auch Kaysers Tochter Anna (Schauspiel und Gesang) und sein Sohn Paul (Klavier) halfen bei den Theateraufführungen der Eintracht und die Gesangproben wurden im hinteren Teil der Gastwirtschaft (Raum zum Hof hin) abgehalten. Der Dirigent übte die einzelnen Stimmen damals anhand einer Geige ein. Während die einen übten, saßen die anderen nebenan in der Gastwirtschaft, tranken und spielten Karten. Wie sein Onkel Edouard Schneider betätigte sich Edouard Kayser auch als Dirigent des Alzinger Männerchors und zwar in den Jahren 1919-1933. Als die dortige Gesellschaft 1919 mit François Scholer einen neuen, jungen Präsidenten erhielt, übernahm Ed. Kayser den Dirigentenstab, den er bis 1933 mit viel Geschick führte. Er war zudem der erste Dirigent des 1910 neu gegründeten Fentinger Männergesangvereins. Diese Funktion hatte er gar bis 1939 inne. Edouard Kayser verstarb am 23.04.1942 in seiner Wohnung in Hesperingen an „Herzdegeneration u. Wassersucht“. Der Grabstein befand sich seit jeher neben der Kapelle Tesch auf dem Hesperinger Friedhof, ist aber nicht mehr in seinem ursprünglichen Zustand. Roland Schumacher |
Wussten Sie schon,... (aus: Buet 12 / 2019 / N°40)
… dass die Hesperinger Alzette-Brücke vor genau 75 Jahren im Blickpunkt der Ereignisse stand?
In der Nacht vom 9. auf den 10. September 1944 erfolgte die Zerstörung der Hesperinger Alzette-Brücke (die erste Sprengung gegen Mitternacht, die zweite um 2 Uhr morgens) durch die sich auf der Flucht befindenden deutschen Besatzungstruppen. Eine erste Sprengung hatte die Fahrbahn nicht unbrauchbar machen können, weswegen eine noch größere Menge Pulver bei einer zweiten Sprengung nötig war, um eine Bresche in die Brücke zu schlagen. Die Einwohner waren durch die Deutschen von der bevorstehenden Sprengung in Kenntnis gesetzt worden, aber die Wasserleitung, die Kirche, die zwei Schulen und viele Privathäuser wurden stark in Mitleidenschaft gezogen. Der Mittelteil der Brücke selbst war auf der südlichen Seite ganz zerstört, nur auf der nördlichen Seite (zur Stadt zu) existierte noch ein schmaler Streifen in der ganzen Länge, wohl wegen eines Eisenträgers, welcher der Schmalspurbahn „Jangeli“, deren Schienen dort verliefen, mehr Halt verleihen sollte. Da die Straße Richtung Frankreich von großer Bedeutung für die US-Armee war, musste sogleich an einen Wiederaufbau gedacht werden. Pioniere („Engineers“) der US Army errichteten innerhalb weniger Tage einen neuen Brückenmittelteil, der aus Stahlträgern sowie mehreren Lagen Holzplanken bestand. Zu beiden Seiten befand sich ein Fußgängersteg mit Geländer, der durch einen Holzbalken am Boden von der Fahrbahn getrennt war. Die Brücke war geeignet, die Last der schweren Panzer und Lastwagen zu tragen, die ab dem 16.12.1944 täglich in den Einsatz mussten (Ardennen-Offensive). Auf dem Rückweg Richtung Frankreich (Metz) geriet am 26.12.1944 irrtümlicherweise ein M4 Sherman Panzer des 11th Tank Battalion der 10th Armored Division auf den südlichen der beiden hölzernen Stege (für Fußgänger angedacht), den er durchbrach, um anschließend kopfüber in der etwa 60 cm tiefen Alzette zum Liegen zu kommen. Dabei kamen drei junge US Soldaten der fünfköpfigen Besatzung ums Leben (Lewis W. Meade, James G. Russ und Isidore M. Vasko). Die näheren Umstände konnten durch die Geschichtsfrënn vun der Gemeng Hesper in Erfahrung gebracht werden und die Gemeindeverwaltung ließ ein Denkmal errichten, das am 19.10.2013 eingeweiht wurde. Die Stadt Luxemburg war am 10.09.1944 von der 5th US Armored Division befreit worden und am Tag danach auch Hesperingen. Ihr angegliedert war das „22nd Armored Engineer Battalion“, das für Brückenbau und Straßenarbeiten zuständig war. Christian Pettinger, Vorstandsmitglied der Geschichtsfrënn, fand jedoch keinen Beleg in deren „After-Action-Reports“ dafür, dass diese Pioniere an der Hesperinger Alzette-Brücke gearbeitet haben. Auf der anderen Seite war am 08.09.1944 bereits die „993rd Engineer Treadway Bridge Company“ des Fifth US Corps der 5. US Panzerdivision angegliedert worden und es ist wahrscheinlich, dass diese dafür zuständig war, was noch untersucht werden muss. Pettingers Recherchen führten zu neuem Fotomaterial dieser Zeit, unter anderem auch zu zwei weiteren Fotos des Panzerunglücks. Nun kann auch definitiv beantwortet werden, welche US Pionier-Einheit die Brücke nach dem Sherman-Zwischenfall wieder instand setzte. Es handelt sich dabei um die F Kompanie des 1303rd Engineer General Service Regiment, welche General Pattons 3rd US Army angegliedert war. Die 10 Offiziere und 239 Mann wurden am frühen Morgen des 21.12.1944 von Salonnes (Moselle, Frankreich) nach Hesperingen verlegt, wo sie gegen 14.00 Uhr ankamen. Zu ihren Aufgaben gehörten unter anderem Instandsetzungsarbeiten an Straßen und Brücken. Der Aktivitätsbericht der Einheit erwähnt, dass die ganze Kompanie vom 21. bis 31. Dezember damit beauftragt war, Zufahrtswege zu erkunden sowie die Brücke in Hesperingen zu reparieren. Des Weiteren wurden die Straßen von Schnee und Eis befreit. Während ihrer Stationierung in Hesperingen baute das Engineer Regiment ebenfalls eine Brücke über die Sauer bei Bollendorf (10. bis 20. Februar 1945) sowie eine Brücke bei Echternach (20. bis 27. Februar 1945). Am 4. März 1945 verließ die Einheit Hesperingen und wurde nach Wasserbillig verlegt. Roland Schumacher |
Wussten Sie schon,... (aus: Buet 09 / 2019 / N°39)
… dass der erste Kulturpreisträger der Gemeinde Hesperingen Jean-Pierre Kemmer hieß?
Tatsächlich hatten die Verantwortlichen der Gemeinde Hesperingen im Jahre 1991 den ersten Kulturpreis an den begnadeten Musiker, Komponisten und Dirigenten Jean-Pierre dit „Jempi“ Kemmer verliehen. Mit dem „Allround-Musiker“, dessen Schaffen Lieder, symphonische Kompositionen wie auch Theater-, Film- und Kirchenmusik beinhaltete, beherbergte die Gemeinde Hesperingen lange Jahre eine nationale musikalische Größe in ihren Diensten. Geboren wurde Jean-Pierre Kemmer am 08.12.1923 in der Hauptstadt als Sohn des gelernten Korbflechters und Geschäftsmannes Michel Kemmer und seiner Ehefrau Claire Steinborn. Der Vater hatte selbst Piano und Orgel gelernt und spielte nebenher populäre Tanzmusik. Von den Söhnen hatte vor allem Jempi sein Talent geerbt und lernte auch ab 7 Jahren schon Piano und Orgel spielen. Bereits mit 13 Jahren durfte er auf Wunsch von Léon Moulin im Radio als Begleitung aushelfen. Nach dem Studium am Athénée de Luxembourg begann er zu komponieren und konnte noch während der Okkupationszeit einige erste Preise absolvieren, ehe er dann im August 1943 von den deutschen Besatzern zwangsrekrutiert wurde. Nach seiner Rückkehr musste er am 12.07.1945 seinen während der Besatzungszeit erhaltenen Virtuosenpreis wiederholen und auf dem Diplom stand: „grande distinction et félicitation du jury (60 points)“. Radio Luxemburg, das ihn am 11.11.1945 fest einstellte, blieb er mehr als 20 Jahre treu. Als Komponist hat sich Jean-Pierre Kemmer durch fünf große Opern, eine Vielzahl von Operetten, symphonische Werke und mehrere Messen hervorgetan. Besonders die „Johannes-Passion“ wurde später auf den renommiertesten Bühnen gespielt. Das Oratorium „Le Chant des Saisons“ dirigierte der vielseitige Musiker am 19.11.1966 in Lüttich in Präsenz des Prinzenpaares Albert und Paola und er erhielt höchstes Lob in der belgischen Presse. Die Chorale mixte des Luxemburger Konservatoriums dirigierte Kemmer von 1961 bis 1968, ehe er im darauffolgenden Jahr seinen eigenen Chor gründete. Über 600 Auftritte hatte der „Jempi-Kemmer-Kouer“ nach mehr als 21 Jahren Aktivität zu verzeichnen, Aufnahmen und Fernsehaufzeichnungen sowie viele Auftritte im In- und Ausland. Daneben stand Jempi Kemmer von 1970 bis zu seinem Tode der „Chorale Municipale Ons Hemecht“ aus Petingen vor und schrieb eine Kindermesse und zahlreiche Kompositionen und Arrangements für die alljährliche „Revue“ im Neuen Theater. Während 30 Jahren sorgte er für die musikalische Begleitung von Pir Kremers Karnevals- und Silvestersendungen und schrieb manche Filmmusik. Am 16.03.1991 wurde Jean-Pierre Kemmer im Centre Civique in Hesperingen der erste Kulturpreis der Gemeinde Hesperingen für seine einzigartigen Verdienste auf dem Gebiet der Musik überreicht. Seit 1969 war er nämlich in Fentingen ansässig und hatte bereits 1959 die Leitung des Hesperinger Männerchors „Eintracht im Thale“ übernommen, den er bis 1972 dirigierte. In Fentingen trat er 1985 als Dirigent in die Dienste des Gesangvereins, den er bis April 1991 auch auf dem Piano begleitete. Für den Fentinger Kinderchor „Les Alouettes“ schrieb er neben seiner Tätigkeit als Pianist ab Mitte der 1980er Jahre ebenfalls eine Reihe von Liedern und Arrangements und für die Arbeit mit seinem eigenen Chor hatte Jempi Kemmer sich eigens in seinem neu errichteten Haus in der „rue de Kockelscheuer“ in Fentingen ein Tonstudio eingerichtet. Am 21.12.1991 verschied Jempi Kemmer nach langer Krankheit im Alter von nur 68 Jahren in der hauptstädtischen Zitha-Klinik. Dass der einzigartige Virtuose nicht aus dem Gedächtnis der Musikliebhaber in der Gemeinde und darüber hinaus vergessen ist, belegen eine Reihe von Gedächtniskonzerten der Fentinger Chorale, der UGDA wie auch der Gemeinde Hesperingen zu seinem 10. Todestag. Roland Schumacher |