… dass der bekannte französische Schriftsteller Victor Hugo (1802-1885) auch in Hesperingen gewesen ist?

  • aus: Buet 03 / 2019 / N°37 / Bild 1

    Woodburytypie-Foto des Schriftstellers

    von Étienne Carjat (1876)Wikipedia

  • aus: Buet 03 / 2019 / N°37 / Bild 2

    Ab 1862 war Victor Hugo gleich viermal zu Gast in Vianden. Das Haus an der Brücke, das der Dichter damals bewohnte, wurde 1935 als Victor-Hugo-Museum eingerichtet. Gegenüber, auf der Brückenbrüstung, befindet sich die Kopie einer Büste Victor Hugos von Auguste Rodin (1877), die vom französischen Senat gestiftet wurde. Im Hintergrund der Hockelsturm (li) und die Burg Vianden (re).

    Palauenc05 (04.10.2015) bei Wikipedia

  • aus: Buet 03 / 2019 / N°37 / Bild 3

    Die beiden Skizzen von der Burg Hesperingen sind mit rotem Farbstift in das Tagebuch Victor Hugos gezeichnet worden, dessen Blattgröße jeweils 17 x 10,5 cm beträgt.

    Bibliothèque Nationale de Paris, NAF 13472 Fol 7

  • aus: Buet 03 / 2019 / N°37 / Bild 4

    Der Text auf der Rückseite der zweiten Zeichnung bezieht sich auf seinen Aufenthalt in der Ortschaft Hesperingen selbst …

    Bibliothèque Nationale de Paris, NAF 13472 Fol 8

  • aus: Buet 03 / 2019 / N°37 / Bild 5

     Diese Ansicht der Kirche und der Burg bot sich Hugo in Hesperingen. Damals hatte die Hesperinger Kirche noch einen Dachreiter als Turm …

    Zeichnung von Jean-Baptiste Fresez, veröffentlicht in seinem „Album Pittoresque du Grand-Duché de Luxembourg“ (1857)

  • aus: Buet 03 / 2019 / N°37 / Bild 6

     Teilausschnitt einer Postkarte um 1920 mit Sicht auf die Burg von der Alzetteseite her. Im Zentrum des Bildes ist das frühere Pfarrhaus zu sehen (1854 errichtet).

    Archiv Geschichtsfrënn vun der Gemeng Hesper

  • aus: Buet 03 / 2019 / N°37 / Bild 7

    Ausschnitt einer Postkarte um 1910-20 mit der einzig bekannten Gaststätte auf der östlichen Seite (hier ganz links). Die Vermutung, dass Hugo seine Zeichnungen hier angefertigt hat, ist nicht wirklich überzeugend …

    Archiv Geschichtsfrënn vun der Gemeng Hesper

  • aus: Buet 03 / 2019 / N°37 / Bild 8

    1871 wohnte der Schrifsteller Hugo ebenfalls 4 Wochen in dem „Hôtel de Paris“ in dem französischen Altwies (Gemeinde Mondorff) jenseits der Gander. Dort starb Anne Wigreux, die Schwester von Pauline Lortz-Wigreux, welche von 1879-1889 im Besitz des Urbéngsschlass in Hesperingen gewesen war, und ihre letzten Jahre auch in Altwies verbrachte. Sonderstempel und Sonderumschlag zur Briefmarkenausstellung EXPHIMO 1971, Zeichnung von Lé Tanson.

    Privatsammlung Jean-Marie Raus (Mondorf-les-Bains)

Am 26. Februar 1802 in Besançon geboren wandte er sich bereits in seiner Jugend dem Schreiben zu. In rascher Folge erschienen verschiedene Romane und Gedichtbände. Die Veröffentlichung von Werken wie Notre-Dame de Paris oder Les misérables begründeten Hugos Weltruhm als Romancier. In der zweiten Lebenshälfte wandte sich Hugo von der Dichtung ab und nahm aktiv am politischen Leben teil. Als er sich gegen Bonaparte auflehnte, wurde er kurz inhaftiert und anschließend aus Frankreich verbannt. Nach dem Sturz von Kaiser Napoléon III. kehrte Hugo 1870/71 nach Frankreich zurück und hatte einige bedeutungslose Staatsämter inne. Von einem Schlaganfall erholte er sich nicht mehr richtig und er verstarb am 22. Mai 1885 in Paris.

Bekannt geworden ist der Schriftsteller aber auch durch seine Zeichnungen. Auch von Luxemburg existieren mehrere Arbeiten von ihm, die durch mehrmalige Aufenthalte (hauptsächlich Vianden) im Lande zustande kamen. Entscheidend für zwei Zeichnungen von Hesperingen war das Jahr 1871.

Nach seiner Rückkehr nach Paris wurde er dort begeistert empfangen und zum Abgeordneten gewählt. Am 13.03.1871 verstarb sein Sohn Charles Hugo unerwartet und der Schriftsteller fuhr mit seiner Familie nach Brüssel, um dort den Nachlass seines Sohnes und dessen hohe Spielschulden zu regeln. Ende Mai 1871 wurde der Aufstand der revolutionären Linken in Frankreich brutal niedergeschlagen und die Anhänger der Kommune versuchten das Land zu verlassen. Von Brüssel aus bot Hugo ihnen in einem öffentlichen Brief in der Zeitung “L’Indépendance Belge“ seine Gastfreundschaft an, weswegen ihn die die belgische Regierung des Landes verwies.

So beschloss Victor Hugo am 01.06.1871 mit seiner Familie nach Luxemburg zu kommen, das er als Refugium auserkoren hatte. Er ließ sich im „Hôtel de l’Europe“ nieder, wo er auf die Erlaubnis zum dauerhaften Aufenthalt wartete. Während dieser Zeit kam Victor Hugo am 04.06.1871 auch nach Hesperingen. Nach dem Mittagessen in der Hauptstadt hatte sich die kleine Gesellschaft (Victor Hugo selbst, sein Sohn Victor, seine Schwiegertochter Alice, die Witwe von Charles Hugo und sein Enkelkind Georges. Auch die Bedienstete Louise war dabei.) nach Hesperingen begeben, wo Victor Hugo zwei Skizzen der Burg anfertigte. Außerdem kehrte er mit den anderen in einer kleinen Gaststätte ein:

Nous sommes allés tous les quatre, après déjeuner, voir l’Hesperange, village dans la vallée de l’Alzette, à une lieue et demie de Luxembourg. Le lieu est charmant. Au - dessus du village sur la colline il y a une ruine très belle d’un château du onzième siècle. Je l’ai dessiné. Alice et Victor ont bu du lait. Pluie au retour. Nous avions emmené Georges, mais en route nous l'avons renvoyé dans les bras de Louise à la ville. Nous avons un peu séjourné dans une petite auberge du village où l’on a soigné des blessés français. Nous sommes revenus à pied. Ces dames ont bravement fait leurs trois lieues. Nous étions à l’Hôtel à 7 h.

Von lokalhistorischem Interesse sind neben den beiden Zeichnungen natürlich auch die Andeutungen zu der Gaststätte, in der Victor Hugo und seine Begleiter Rast gemacht haben.

Während des französisch-deutschen Krieges war Luxemburg von dem Internationalen Roten Kreuz gebeten worden, den Zivilopfern wie auch den verletzten Soldaten zu helfen, und dies ungeachtet der Nationalität. Leider gibt es keine Belege über solche Tätigkeiten in der Gemeinde Hesperingen. Nur eine der acht Gaststätten lag gegenüber der Burg an der Hauptstraße und zwar diejenige des Witwers Pierre Nockels-Meyer (heute „Café de la Renaissance“), sollte er dort die Zeichnungen angefertigt haben.

Das alles bleibt jedoch Spekulation. Halten wir fest, dass eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der französischen Literatur und Politik bei einem seiner Aufenthalte in Luxemburg Zeit und Muße gefunden hat, nach Hesperingen zu kommen und die ansehnliche Burgruine in zwei Zeichnungen zu verewigen, deren bleibender Erinnerungswert allen kultur- und lokalhistorisch Interessierten bewusst sein muss.


Roland Schumacher
Geschichtsfrënn vun der Gemeng Hesper