… dass es früher in Hesperingen mehrere Kirmesfeiern gegeben hat?
Das Kirchweihfest (Kirmes) in Hesperingen wird seit der Konsekration der Kirche (26.06.1871) am Sonntag nach St. Lukas gefeiert, respektive an diesem Tag selbst, wenn er auf einen Sonntag fallen sollte. Es handelt sich dabei um die zweite Hälfte des Monats Oktober und dieses Jahr findet die Kirmesfeier am 19. Oktober statt (der Namenstag des St. Lukas ist einen Tag zuvor). Dass Hesperingen und Fentingen am selben Tag Kirmes feiern, hat einen speziellen Grund. Die Pfarrei Hesperingen wurde erst 1849 errichtet und davor gehörte die Ortschaft zur Pfarrei Itzig und in Teilen auch zur Pfarrei Fentingen. In dem Zeitraum 1570-1616 wurde der frühere Schutzpatron der Fentinger Pfarrkirche, die Jungfrau Maria, durch den hl. Lukas (Nebenpatron ist der hl. Sebastianus) ersetzt. Der Tag der Kirmes wurde dann nicht mehr als Kirchweihfest begangen, sondern am Tag des Kirchenpatrons gefeiert. Hesperingen schloss sich diesem Tag an, zumal es weder eine Pfarrkirche (lediglich eine kleine Nikolaus-Kapelle) noch eine eigentliche Pfarrei Hesperingen (bis 1849) gab. Daneben existierte in Hesperingen noch eine weitere „Kirmes“, nämlich die der Näherinnen und Modistinnen, die an jenem Tag frei hatten und aus der ganzen Umgebung und der Hauptstadt nach Hesperingen kamen, um dort ihren freien Tag zu feiern. Bei dieser Gelegenheit gab es Tanzmusik im „Café Weiwers“ (heute „Café bei der Uelzecht“) und auch zwei, drei Tische mit Verkaufsgegenständen wurden vor der Tür der Gaststätte errichtet. Das war am 26. Juli, dem Namenstag der hl. Anna (Schutzpatronin der Näherinnen und Modistinnen), und diese Feier wurde jeweils an dem Wochentag begangen, auf den sie gerade fiel. Nach dem Krieg geriet sie in Vergessenheit. Bleibt noch die sogenannte „kleine Kirmes“ mit der Prozession, die dann aufgrund des dichten Verkehrs in den Hesperinger Straßen nicht mehr durchgeführt werden konnte und nach Pfarrer Ernest Beres (Pfarrer in Hesperingen von 1916-1956) nicht mehr gefeiert wurde. Sie wurde im Erntemonat August („Karschnatz“) abgehalten und zwar am 15. August (Mariä Himmelfahrt), „Léiffrawëschdag“. In einer alten Wochenzeitung findet sich die sogenannte „kleine Kirmes“ unter dem Namen „Bockskirmes“ wieder, die laut dem „Luxemburger Wochenblatt“ jeweils am Sonntag nach Maria Himmelfahrt gefeiert worden ist. Die Andeutungen und zwei relativ große Berichte in diesem Wochenjournal, das lediglich von 1821 bis 1826 erschienen ist, lassen darauf schließen, dass diese Kirmesfeier in der ganzen Umgebung bekannt gewesen ist und auch eine ganze Reihe von Gästen angezogen hat. Der Ursprung des Namens ist unbekannt und könnte mit dem „Karbock“, d. h. zwei, drei Garben, die zusammengebunden werden und an denen die anderen aufgeschichtet werden, zusammenhängen. Die Vermutung Pierre Anens, der Name könnte von den Keilereien („boxen“) bei den Kirmessen herstammen oder gar mit dem starken Bier zusammenhängen, so dass die Kirmesbesucher „der Bock stieß“, erscheint eher volksetymologisch. Auch eine Verbindung zu den Besuchern vom „Bock“, d. h. den Soldaten der Festung, ist denkbar, aber vielleicht steht die Jagd auf den Bock, die in einem der Artikel erwähnt wird, noch eher in Zusammenhang mit dem Ursprung des Begriffs. Im Gemeindearchiv Hesperingen finden sich tatsächlich ältere Urkunden aus dieser Zeit (z. B. 1826), die besagen, dass die Verpachtung der Jagd effektiv in dieser Zeit (nach Maria Himmelfahrt) stattgefunden hat. Dennoch lässt sich auch heute der Ursprung des Wortes „Bockskirmes“ noch nicht zweifelsfrei belegen.
Roland Schumacher |