… dass es früher einen Kanton Hesperingen gegeben hat?
Tatsächlich war Hesperingen einmal Kantonalhauptort und dies von 1795 - 1802 unter der französischen Herrschaft. Während der Anfangszeit wurde noch nichts an der alten Ordnung verändert, aber nach dem Sieg der Franzosen und dem Abmarsch der letzten österreichischen Truppen (12.06.1795) erfolgte eine neue Verwaltungsordnung für das alte Herzogtum Luxemburg und die Grafschaft Chiny, wobei man bemüht war, die Grenzen der alten Propsteien und Herrschaften bei der Bildung der Kantone nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Im Wälderdepartement bildeten die gewählten Agenten des Kantons die Munizipalverwaltung. Mehrere Versuche, neu geschaffene Kantonalverwaltungen mit Friedensgerichten anstelle der alten Gerichte zu bilden, gipfelten schließlich in einer Neueinteilung mit 26 Kantonen und am 11.08.1795 dann wurde zusätzlich der „canton appelé vulgairement banlieu de Luxembourg“ in deren zwei aufgeteilt: der östliche Teil („Levant“) mit Hesperingen als Hauptort und der westliche („Couchant“) mit Mersch als Kantonalhauptort. François Bockholtz wurde am selben Tag als Friedensrichter in Hesperingen ernannt (mit Sitz in Biwingen) und Jean-Pierre Nothomb zum Gerichtsschreiber („greffier“). Am 11.08.1795 entstand der Kanton Hesperingen und nach mehreren Einteilungen erfolgte am 22.10.1796 ein Beschluss des „Commissaire Général“ Louis-Guislain Bouteville du Metz, der präzisierte, dass Kanton und Hauptort denselben Namen tragen sollten. Dieser Beschluss definierte (bis 1802) endgültig die Abgrenzungen des Wälderdepartements wie auch des Kantons Hesperingen mitsamt den 61 Ortschaften und diversen Höfen und den 16 „agences“ (den Vorläufern der heutigen Gemeinden), die dazu gehörten: Alzingen (bis 1823 bestand die heutige Gemeinde Hesperingen aus den beiden Gemeinden Alzingen und Hesperingen), Bertrange, Bettembourg, Contern, Dudelange, Eich, Frisange, Hesperange, Hollerich, Kayl, Leudelange, Merl, Roeser, Sandweiler, Strassen, Weiler-la-Tour. Das machte laut den damaligen Listen 8.868 Einwohner. Obwohl Hesperingen nicht die größte Gemeinde war, erfüllte sie aber einige der nötigen Bedingungen. Die Gemeinde lag in etwa in der Mitte des Kantons und hatte schon in den Jahrhunderten vorher als „Herrschaft Hesperingen“ eine nicht unbedeutende Rolle gespielt. Andere Kriterien wurden aber nicht erfüllt. Der Kanton Hesperingen war der neuntgrößte Kanton von deren 27 zu dieser Zeit. Zu der Verwaltung gehörten Kommissare, Präsidenten, Sekretäre und Friedensrichter, die von sogenannten Wahlmännern erkoren wurden. Ein Umstand, der die Bevölkerung des „Département des Forêts“ schwer traf, war die Einführung von Zwangsabgaben (Steuergelder, Ernte, Vieh usw.). Verantwortlich hierfür sollte die Kantonalverwaltung sein, welche oft Probleme bei den fristgerechten Lieferungen hatte. Johann Baptist Stiff aus Fentingen, der „maire“ der „Agence“ Alzingen und spätere Präsident des Kantons Hesperingen, wurde 1795 gar wegen verspäteter Lieferungen kurzzeitig verhaftet. Die Franzosen führten außerdem die Zwangsrekrutierung ein. Eine „Blutsteuer“ sollte die ab Anfang 1798 zunehmend aggressivere Außenpolitik der Franzosen sichern. Dazu wurde ab dem 19 fructidor an VI (05.09.1798) eine allgemeine Wehrpflicht eingeführt, welche die Männer zwischen 21 und 25 Jahren betraf. Die Kantonalverwaltung musste dazu die Listen erstellen, die neben den Angaben der Eltern, des Geburtsdatums und des Wohnorts auch Aufschluss über Größe, Gesichtszüge und besondere Kennzeichen gaben. Die antikatholische Politik des französischen „Directoire“ war schließlich verantwortlich für eine ganze Reihe von einschneidenden Maßnahmen gegen die Kirche. Die Priester, welche den Eid auf die französische Republik nicht schworen, wurden verfolgt und deportiert. Ab 1796 fand die „Schobermesse“ nicht mehr innerhalb der Festungsmauern statt, sondern auf dem Glacis, und weil der Limpertsberg dem Kanton Hesperingen unterstellt war, wollte dieser die Schobermesse selbst organisieren, was die französische Oberbehörde aber nach längeren Streitereien im Jahre 1798 untersagte, bis 1802 dann eine neue Kantonsbegrenzung das strittige Problem von selbst löste. Ab dem 06.03.1802 gab es den Kanton Hesperingen nicht mehr im administrativen Bereich, aber von 1816 – 1846 existierte noch ein Miliz-Kanton Hesperingen unter der niederländischen Verwaltung. Den vollständigen Artikel des Autors kann man nachlesen in: nos cahiers, Lëtzebuerger Zäitschrëft fir Kultur, Nr. 3/4 (2015)
Roland Schumacher |