...dass die Ortschaft Fentingen früher einen Bahnhof besaß? 1825 wurde die erste öffentliche Eisenbahn unter der Leitung von George Stephenson eingeweit und bereits wenige Jahre später wurden in unseren Nachbarländern ganze Eisenbahnnetze errichtet. Vom politischen und damit auch wirtschaftlichen Standpunkt befand sich Luxemburg zu dieser Zeit in einer sehr isolierten Lage. Der Vertarg von 1839, welcher die Niederlande und Belgien trennte, beraubte unser Land eines großen Gebietes, das an Belgien abgetreten wurde. Für Luxemburg bedeutete die Errichtung eines eigenen Eisenbahnnetzes in erster Linie einen schnelleren und vorteilhafteren Transport des Eisenerzes sowie der landwirtschaftlicher Produkte nach dem Ausland. Viele Arbeitsstellen wurden geschaffen, die Auswanderung klang ab und Industrie wie auch Handel wurden konkurrenzfähiger. Dass die Schienenstränge mittlerweile bis an unsere Grenzen reichten, wusste auch die letzten Skeptiker von dem Erfolg eines solchen Vorhabens zu überzeugen. In einem am 30.04.1856 vorgelegten Kommissionsbericht wurde der Strecke von Hesperingen bis zur französischen Grenze zugestimmt, während der 7.5 km lange Abschnitt Hesperingen - Luxemburg von der nach zu klärenden Lage des Zentralbahnhofs abhing. Am 05.05.1856 wurde die Streckenführung Hesperingen - französishce Grenze dann durch Königlich-Großherzoglichen Beschluss Wilhelms III. gutgeheißen. Am 03.06.1857 wurde in einem Brief des General-Administrators Paul de Scherff auch zum ersten Male eine mögliche Station Fentingen angedeutet: "Il est encore indispensable de ménager entre Fentange et Hespérange un palier d'environ 400 mètres, et situé dans un endroit pouvant être facilement raccordé avec les voies de communication existantes. La distance de Bettembourg à Luxembourg est trop grande, et la localité de Hespérange, ainsi que les communications qui y aboutissent, sont trop importantes pour que cette contrée puisse rester dépourvue de gare." Und weiter heißt es in einem Brief vom 17.06.1857: "... que je ne pouvais pas approuver définitivement votre premier projet avant qu'on ait recherché encore le moyen de l'améliorer, et qu'on ne l'ait rectifié par l'établissement d'un palier aux environs de Fentange". Am 5. Oktober 1859 konnte die Strecke Luxemburg - Bettemburg (- Diedenhofen - Metz) mit einer Länge von 17 km dann in Betrieb genommen werden. Der Bahnhof Fentingen war der erste auf der Strecke Luxemburg - Diedenhofen und als Zwischenbahnhof konzipiert. Seine Anlagen waren sehr bescheiden: ein durchgehendes Hauptgleis, ein Überholugsgleis, 2 Weichen und ein Empfangsgebäude.Erst ab 1873 war die Strecke Luxemburg - Diedenhofen dann zweigleisig. Der Bahnhof war beim Streckenbau Luxemburg - Diedenhofen an das äußerste südliche Ende des Fentinger Banns errichtet worden. Johann Dominik Stiff aus Fentingen, Abgeordneter und Bürgermeister der Gemeinde Hesperingen, hatte damals seinen ganzen Einfluss geltend gemacht, damit der Gahnhof an dem Nordrand des Dorfes entstehen würde, während die Ortsvorsteher des Roeserbanns sich vehement für den Standort Berchem eingesetzt hatten. Die Lösung lag (wie so oft in der Politik) in der Mitte... Scheinbar war der Standort des Bahnhofs Fentingen aber für die Gemeinde Hesperingen unbefriedigend, denn viele Einwohner und Marktbesucher legten den Weg zur Hauptstadt wie eh und je zu Fuß zurück. Auch Proteste vonseiten der Gemeinde Roeser wurden im Verlaufe der Zeit nicht weniger und ab 1876 gar mahnender 17 Jahre nach der Eröffnung des Fentinger Bahnhofs. Dass die Gemeinde Hesperingen in dem anschließenden Streit unterlag, muss auch an den dürftigen Protesten der Gemeindeverwaltung gelegen haben. Außerdem hatte die Gemeinde Roeser neben der Eisenbahnbehörde des Öfteren höchste staatliche Stellen (darunter den Staatsminister Félix de Blochausen) als direkte Ansprechpartner auserwählt, die ihnen wohl gesonnen waren. Der Regierungskommissar und Staatsrat Charles-Frédéric Mersch-Faber wurde 1876 seitens der Eisenbahnbehörde darüber unterrichtet, dass das Unternehmen "Bahnhof Berchem" nur dann zu bewerkstelligen wäre, wenn man die Station Fentingen nach Berchem verlegt, nicht aber durch einen weiteren Halt ergänzt würde. Tatsächlich würde ein Halt in Berchem (knapp 1.500 Meter von dem Fentinger Bahnhof entfernt) diesem den geringeren Personenverkehr abspenstig machen. Die Kosten für den Bau in Berchem schreckte die Eisenbahnverwaltung ab und sie machte der Gemeinde Roeser die Auflage, dass diese ein finanzielles Engagement eingehen müsse, indem sie beispielsweise den Grund und Boden unentgeltlich zur Verfügung stellen und auf eigene Kosten einen ausreichenden Zufahrtsweg herrichten würde. Eine Entscheidung müsse schnell getroffen werden, da zu diesem Zeitpunkt Verhandlungen stattfänden, die Station Fentingen auch für Wagenladeverkehr zu eröffnen. Die Planung der Sekundärbahn "Jangeli" welche von Luxemburg über Hesperingen nach Remich (und umgekehrt) führte und am 20.02.1882 in Betrieb genommen wurde, hat möglicherweise für den Bahnhof Fentingen dann das endgültige Aus bedeutet. Ein Schreiben der "Kaiserlichen Eisenbahn-Betriebs-Inspection VI" vom 8.10.1877 informierte den Regierungskommissar Mersch-Faber schließlich darüber, dass am 15.10.1877 die zwischen Luxemburg und Bettemburg gelegene und errichtete Station Berchem für den Güter-, Personen- und Gepäckverkehr eröffnet und dagegen die bisherige Station Fentingen von dem gleichen Tage ab, aufgehoben wird." In späteren Jahren (1913 und 1924) wurde mehrmals der Versuch unternommen, die Station Fentingen wieder ihrer früheren Bestimmung zuzuführen,a ber ohne Erfolg. Mit der Errichtung eines Autobusdienstes ab Ende Oktober 1930 (das Fuhrunternehmen Johann und Victor Feider aus Bonneweg wurde mit dem Dienst für die Strecken Itzig - Hesperingen - Fentingen - Berchem und Itzig - Hesperingen beauftragt), an dem sich der Staat zudem zu 50% beteiligte, wurde der Fentinger Bahnhof uninteressant. Seit dem Jahr 1878 hatte das Gebäude noch verschiedenen Rottenführern und anderen Eisenbahnangestellten mitsamt ihrer Familien als Domizil gedient, ehe es dann im Sommer 1960 durch das Unternehmen Kuhn et fils aus der Hauptstadt abgerissen wurde.
Roland Schumacher |