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Kurzer historischer Überblick über die Gemeinde Hesperingen

Abseits aller Feierlichkeiten im Kulturjahr 1995 beging die Gemeinde Hesperingen wie viele andere ihren 200. Geburtstag in aller Stille. 1795 hatten die siegreichen Revolutionstruppen der Franzosen die alte Ständeordnung zugunsten eines neuzeitlichen Gemeindesystems beseitigt. Seit 1823 nun besteht die Gemeinde Hesperingen mit den Dörfern Alzingen, Fentingen, Hesperingen, Howald und Itzig in ihrer heutigen Form.

Spuren frühzeitlicher Ansiedlungen (Holleschbierg, Rezefeld u.a.) wie auch Relikte keltischer (Alzingen) und römischer Niederlassungen (Itzig, Fentingen) sind in der ganzen Gemeinde erhalten. Ein Römerweg soll von Dalheim aus über Hesperingen Richtung Arlon geführt haben. Nach der Besitznahme des Landes durch die Franken gehörte Hesperingen zum Wawergau und war laut Pierre Anen das Kopfstück eines lothringischen Besitztums. Nach der Gründung der Abtei Echternach im Jahre 698 wurde Hesperingen bald in deren Besitztum einverleibt. Die erste bekannte schriftliche Erwähnung von Hesperingen (“Hasmaringa”) fällt in das Jahr 867 und wurde als verdeutschtes gallisches Wort (hasmar = Bergveste) gedeutet. Eine keltische Flieh- oder Fluchtburg könnte somit als Ursprung des Dorfnamens gelten. Auch die Ortschaften Alzingen und Fentingen wurden schon im 10. Jahrhundert urkundlich erwähnt, Itzig gar schon um 780.

Der Beginn der Feudalherrschaft zeigte den wachsenden Machteinfluss der Herren von Rodenmacher (Lothringen), welche wahrscheinlich zwischen 1190 (Bau der ersten Stammburg in Rodenmacher) und 1277 (erste Erwähnung eines Galgens in Hesperingens, also des Hoheitszeichens der Herren von Rodenmacher) eine neue Burg in Hesperingen für einen ihrer Söhne erbauten. Im Wappen führten sie 6 abwechselnd goldfarbene und blaue Streifen (fascé d’or et d’azur). Jüngere Studien dokumentieren den eher peripheren Charakter der Burganlage und bestreiten die Existenz einer Hesperinger Herrschaft, die auch über kein eigenes Wappen verfügte. Bedeutung erlangte die Burg lediglich durch eine Verzichtserklärung von Wilhelm von Sachsen – Meißen, Nachfolger des Kaisers Sigismund, zugunsten der Burgunder im Jahre 1443 (“Acta in Castro Hesperingen”).

1486 unterlag Gerhard von Rodenmacher in Erbfolgekämpfen um unser Land Maximilian von Österreich, dem Gatten der Erbin von Burgund. Im August 1480 hatten 65 Zimmerleute und Maurer aus Luxemburg die Burg Hesperingen abgetragen bzw. unbewohnbar gemacht, ehe sie dann im Mai/Juni 1482 durch Maximilians Soldateska ein weiteres Mal der Zerstörung anheim fiel. Mit anderen Herrschaften wurde sie von Kaiser Maximilian an seinen Vetter, den Markgrafen Christoph von Baden, als Lohn für seine Kriegshilfe übergeben. Dieser wird sie wohl instand gesetzt zu haben, ehe sie schließlich 1633 aus Badener Besitz an den Advokaten Lucas Bosch verpachtet wurde.

Eine weitere Zerstörung während der spanischen Herrschaft durch den französischen Kommandanten von Rodenmacher, Herrn de la Bruyère, im Jahre 1679 ist bisher von keiner schriftlichen Quelle bezeugt worden, wiewohl aus dieser Zeit mehrere Dokumente vorhanden sind, welche die Übergriffe der Soldaten Ludwigs XIV detailliert auflisten. Nach dem Rückkauf durch das Haus Baden Mitte des 18. Jhdts. kam die Burg 1795 in den Besitz der französischen Revolutionstruppen, ehe sie zwei Jahre später in private Hände überging.

1795 begründeten die französischen Eroberer das heutige Gemeindewesen und es wurden zwei Gemeinden gebildet: Hesperingen (mit Itzig) sowie Alzingen (mit Fentingen), welche am 02.01.1823 zusammengeschlossen wurden Zwischen 1795 und 1802 wurde Hesperingen dann sogar Kanton (mit eigenem Friedensgericht), wie später auch (1818-1831) unter der holländischen Herrschaft. 1849 wurde Hesperingen zur eigenen Pfarrei erhoben. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts sah landesweit einen großen wirtschaftlichen und industriellen Aufschwung, von dem auch unsere Gemeinde profitierte. Zwischen 1859 und 1877 existierte ein Bahnhof in Fentingen und von 1882 bis zum 23.05.1955 verband eine Schmalspurbahn (“Jangeli”) Luxemburg und Remich. Der Fortschritt äußerte sich in einer Vielzahl von neuen Einrichtungen wie dem Postwesen, den Telephonkabinen, elektrischem Strom oder der Kanalisation. Die Schrecken der beiden Weltkriege sollten dem euphorischen Aufschwung dann für längere Zeit Einhalt gebieten. Unter den deutschen Besatzungstruppen des Zweiten Weltkrieges wurden alle Dörfer der Gemeinde Hesperingen (mit Ausnahme von Itzig) in die Stadt Luxemburg eingemeindet.

Der wirtschaftspolitische Aufschwung nach Kriegsende äußert sich dann vor allem in einer wahren Bevölkerungsexplosion (die Einwohnerzahl stieg um mehr als das Doppelte) Mitte der 70er Jahre. Ein Zentrum mit Schule, Rathaus, Polizeizentrale und Festsaal wurde 1962 unter dem Namen “Centre Civique” eingeweiht und in den kommenden Jahren brachten die Industriezonen und die Autobahnen einen bedeutenden wirtschaftlichen und verkehrstechnischen Fortschritt. Howald wurde zur meistbewohnten Ortschaft mit einem Anteil von 42 % (1995) an der Gesamtbevölkerung. Im Laufe der Zeit wurden in der ganzen Gemeinde Hesperingen neue Schulen, Kultur- und Sportzentren errichtet und eine Reihe von sozialen Einrichtungen ausgebaut. Auch das “Institut d’Études Educatives et Sociales” in Fentingen unterstreicht seit 1983 die nationale Bedeutung der großen Gemeinde Hesperingen, deren ausländische Mitbewohner heute etwa 44 % ausmachen. Am 16.9. 1992 wurde das neue
Rathaus (ehemals “Urbéngs-Schlass”) eingeweiht, welches ein Areal von mehr als 13 Hektar mit herrlichen Grünflächen und Anlagen umfasst, das demnächst noch ausgebaut wird. Auch das Panorama der Gemeinde hat sich verändert, denn seit 1994 durchteilt eine beeindruckende Hängebrücke (Pont haubané Victor Bodson) die Ortschaft in der Nähe der “Wollefs-Millen”. In den kommenden Jahren wird schließlich zum Nutzen der Schulkinder, der Jugend und der Sportvereine auf “Holleschbierg” ein umfangreiches Sportzentrum errichtet. Nur noch wenige Zeitzeugen von früher sind erhalten, aber sie zeigen um so deutlicher die Entwicklung des ehemaligen Dörfchens Hesperingen zum bedeutenden Gemeindezentrum mit mehr als 10.000 Einwohnern im Jahre 1996. An der Schwelle eines neuen Jahrtausends sollen alle Bemühungen von Erfolg gekrönt sein, die Bedeutung und das Ansehen unserer schönen Gemeinde Hesperingen auch für die Zukunft zu erhalten.

Roland Schumacher
in: Fédération Nationale de la Mutualité Luxembourgeoise, brochure de l’Assemblée Générale Statuaire 1996 (samedi, 27 avril 1996, salle “Amiperas” à Hesperange), Luxembourg 1996, S. 4 (leicht korrigierte Fassung).

Seit dem 18.09.1997 ist die Gemeinde Hesperange mit der ungarischen Stadt Szerencs (nordöstlich von Budapest) “jumeliert”.